"Die krasseste Gewalt ist für mich das Zwingen in die männliche Rolle gewesen"
Die Themenreihe "Trans* - Diskriminierung und Gewalt" beschäftigte sich im Jahr 2016 in vier Interviews mit persönlichen Gewalterfahrungen sowie alltäglichen Erfahrungen von Diskriminierungen. Die interviewten Personen kommen aus Cottbus, Potsdam und Brandenburg. Die Interviews wurden im Rahmen eines Praxissemesters der Fachhochschule Potsdam durchgeführt. Die Interviews wurden mündlich geführt, später transkribiert und für diese Internetseite leicht zusammengefasst und redaktionell bearbeitet. Im Originalinterview werden durch die interviewten Personen teilweise vulgäre sowie gruppenbezogene Beleidigungen als Stilmittel in der Sprache verwendet. Diese Textstellen haben wir entsprechend (*) kenntlich gemacht. Es wurde darauf geachtet, trotzdem die Emotionalität und Authentizität der Erfahrungen beizubehalten. Wer wissenschaftliches Interesse an dem original transkribierten Text hat, kann diesen per E-Mail bei der LKS qu. Brandenburg anfragen.
Schwerpunkte
- trans* Diskriminierung im medizinischen Bereich
- Zwingen in die falsche Geschlechterrolle
- Auffassung der Bedeutung des Rechts auf freie Entfaltung
- Schwierigkeiten der Anklage
- Mobbing
- Unterstellung einer psychischen Krankheit (durch die Eltern)
- trans* im Informatikbereich
- Umgang mit Leidensdruck bis zur Erkenntnis
- Schwierigkeiten der psychologischen Beratung
- fehlende Sensibilisierung im Gesundheitsbereich
- Stütze durch Selbsthilfegruppen
- Arbeitsalltag
- Darstellung in Medien
Interview und Transkription: Anne Mense (Fachhochschule Potsdam, 2016)
Redaktionelle Bearbeitung: Maria Sievers (queer factory)
Der Aufbau von diesem Interview soll bisschen anders sein. Die erste Frage wäre, was würdest du als Gewalt empfinden?
IP: Gewalt ist etwas, was gegen meine Willen, gegen mich passiert und wo sich die andere Seite bewusst ist, dass es gegen meine Willen ist und sie mir das trotzdem über zwingt, aus jeglichen Motiven, die es gibt. Das wäre Gewalt im Allgemeinen. Da gibt es dann verschiedene Ebenen, wie physische Gewalt, wie das Verprügelt werden, Mobbing ist genauso Gewalt wie das Übertreten von bestimmten Regeln. An sich kann man auch sagen, dass man mir diese männliche Welt aufgezogen hat, war auch Gewalt, weil ich mich da im Endeffekt nicht wirklich gegen wehren konnte.
Welche Diskriminierung, Gewalt und Herabwürdigung deiner Person war für dich der schockierendste Moment? Also was hast du am krassesten erlebt gegen deine Person?
IP: Ich habe schon darüber nachgedacht, seit ich von dem Thema des Interviews wusste. Und meine erste Überlegung war, dass mir eigentlich gar nichts passiert ist. Mich als trans* Person hat nie jemand auf der Straße zusammengeschlagen oder so. Aber eigentlich, wenn man so richtig überlegt, müsste man ja sagen, Gewalt im Zusammenhang mit trans* Sein. Das zieht weitere Kreise. Ich hab als Transperson den großen Vorteil, dass ich ein guten Cis-Passing hab. Das heißt, dass andere Leute denken ich wäre das Geschlecht, was ich jetzt nach außen darstelle. Das wäre auch das Geschlecht, was mir bei der Geburt zugeordnet war und dadurch kommen natürlich seltener transspezifische Sachen, weil die meisten Leute das nicht wissen und ich hab noch einen anderen Vorteil. Ich bin sehr groß. Wenn man Größe nutzt, das heißt, wenn jemand auf einen zukommt, mit Größe ist das schon furchteinflößend, egal welches Geschlecht man hat. Ich kam einmal in die Bahn, während dort ein Bettler zu den Leuten hin ging und die wirklich bösartig angebrüllt hat und meinte richtig aggressiv.: „Gib mir Geld. Ich brauch Geld.“ Er ging die Plätze durch und irgendwann kam er zu mir. Er hat dann hoch geguckt und ging weiter ohne ein Wort zu sagen. Ich gehe auch nicht so auf Blicke ein. Ich kann das relativ gut ignorieren, so dass ich nicht darauf eingehe und den Leuten auch keinen Ansatzpunkt gebe. Von daher bin ich nach meiner Transition relativ gut gefahren. Bei Ärzten hatte ich nach meiner Transition trotzdem so Arten von Gewalterfahrungen. Zum Beispiel, wenn man aufgerufen wird, da gibt es manche, die wissen das ich früher mal einen anderen Name hatte und dann wird man mit den früheren Namen aufgerufen. Das kann sein, dass es ein Versehen ist. Häufig heißt es aber, „Ja, steht so in unseren Unterlagen und so wird es aufgerufen.“ Das heißt die Gewalt kommt durch den Mechanismus, der dahinter steht. Mit der Krankenkasse war es schwierig, mich dagegen zu wehren. Die hat erstmal versucht alles zu verhindern, obwohl ich eigentlich die Rechte hatte, die man mir am Ende auch zugestanden hat, aber ich wurde von einigen Personen erst abgewiesen und recht kalt behandelt. Aber es sind nicht so eigentlich die Sachen, die ich als Gewalterfahrungen sehe, weil die Gewaltzeit für mich vor der Transition war. Die krasseste Gewalt ist für mich das Zwingen in die männliche Rolle gewesen. Das ist nicht ein Abschnitt, wo man sagen kann, das war jetzt an dem und dem Tag, sondern das war jahrelang. Wo ich aufgewachsen bin, kommt durch die Gesellschaft, durch die Familie, durch Bekannte, Freunde, so Sätze wie: „Ja, steh doch deinen Mann“, „Du musst dich doch durchsetzten“, „Jungs weinen nicht“. Das ist die Härte gewesen, weil mich das mit der Zeit so weit zermürbt hat, dass ich für mich im Endeffekt psychisch Selbstmord begangen hab. Das heißt, für mich war ich nicht mehr Person an sich. Ich hatte kein eigenen Willen, ich hab bloß noch das gemacht, wovon ich dachte, dass das richtig ist. Ich hab nach Regeln gehandelt, nicht nach Willen. Wenn zu dieser Zeit jemand gefragt hat „Was willst du denn machen?“, wusste ich darauf keine Antwort, weil ich nichts wollte. Ich wusste nicht, was die Regel dafür ist, was ich machen soll. Weil jeder mir gesagt hat so und so hast du zu sein, als Junge. So hast du dich zu verhalten. Solche Regeln hab ich dann versucht zu befolgen, aber es kam nicht intuitiv. Wenn man das über mehrere Jahre erlebt, ist das Gewalt und hinzu kommt noch, dass ich in der Schule gehänselt und verprügelt wurde und zwar nicht nur, als ich noch klein war. Es ging hoch bis in die zehnte Klasse. Es war bei mir so weit, dass ich es lieber hatte im Unterricht zu sitzen, als draußen auf dem Schulhof, weil ich im Unterricht halbwegs sicher war und auf dem Schulhof gab es immer jemand, der kam und mich gehänselt hat. Ich habe mich auch eine lange Zeit stark zurückgezogen. In der Schule hatte ich ein paar Leute, mit denen ich zusammen abhing. Ich würde sie aus heutiger Sicht aber nicht mehr Freunde nennen. Es klingt ein bisschen böse, wenn ich das sage, aber ich habe jetzt richtige Freunde und diese innige Beziehung war nicht da. Wenn ich vom Schulhof runter war, kannte ich Schleichwege, um nach Hause zu kommen, ohne irgendwie angegriffen zu werden. Jetzt kann ich natürlich nicht sagen, es war, weil ich trans* war. Also wer kann schon in den Köpfen der Leute gucken? Es war, weil ich anders war. Vielleicht haben da auch unterschiedliche Sachen mit reingespielt wie, dass ich katholisch aufgezogen wurde. Das war zu DDR-Zeiten auch nicht so beliebt. Da wurde auch gegen Stimmung gemacht, aber ich denke mal dieses trans* Sein war ein großer Punkt, der erstens dafür gesorgt hat, dass ich anders war und dass ich dieses Jungenspiel konnte. Das andere viel größere Problem war, dass ich nicht mich selbst spielen konnte, weil ich Niemand war. Also ich existierte für mich nicht und wen soll ich denn verteidigen? Wo ist mein Selbstbewusstsein, wenn ich mir meiner Selbst nicht bewusst bin? Wenn ich nur zugegen bringe, was mir einer sagt, was ich machen soll, was ich bin. Und das ist für mich die krasseste Gewalt. Das ist schon traumatisch. Da gibt es schon Albträume drüber.
Diese Gewalt trägt leider nicht wirklich strafrechtliche Verfolgungen mit sich, oder?
IP: Vielleicht nicht. Das ist eine gute Frage. Da gibt es auch unterschiedliche Geschichten. Man kann natürlich sagen, die Zeit, wo ich wirklich verprügelt wurde, wo ich mit kaputter Jacke, mit kaputtem Rucksack, mit Blessuren nach Hause kam, dass wäre schon strafrechtlich relevant. Wobei da immer die Ausrede war: „Ja, Jungs die prügeln sich schon mal.“ Daran, dass ich immer verprügelt wurde, hat man so gesagt, war ich selbst schuld, weil ich mich nicht genug gewehrt hab. Aber wenn ich in der dritten Klasse, vierten Klasse bin und da kommen welche aus der siebten Klasse zu dritt, auf mich zu, da kann man sich nicht mehr wehren. Dann gibt es noch die Dimension rechtlich werden gegen Diskriminierung. Habe ich denn nicht das Recht nach dem deutschen Grundgesetz freier Entfaltung der Persönlichkeit, meine Persönlichkeit frei zu entfalten? Bedeutet das nicht auch, dass ich zum Beispiel, wenn ich weiblich bin, mich so entfalten darf? Wieso wurde es mir verwehrt? Das ist schwierig einzuklagen, keine Frage. Aber ist das wirklich so, dass man sagen kann, nur weil deswegen noch nie geklagt worden ist, ist das völlig legal. Das ist ein bisschen schwierig. Es ist auch schwierig zu sagen, ob die Schule mich nicht besser hätte schützen müssen, ob die Lehrer nicht besser hätten aufpassen müssen, ob denn nicht auch der Soziale Dienst oder das soziale Gefüge im Land nicht auch eingreifen müsste und so etwas überwachen. Aber Gesetze sind eins, es gibt auch eine gesellschaftliche Norm, Normalität, Normverhalten und egal, was die Gesetze sagen, wenn die Gesellschaft davon ausgeht, dass das richtig ist, dann wird das auch nicht angeklagt. Also es kann ruhig ein Gesetz dagegen geben, wenn keiner da ist, um zu verklagen, wenn keiner das ist, das Gesetz einzuklagen, denn wird es auch nicht befolgt. Also so ein bisschen wie Raucher auf dem Bahnhof, wenn sich keiner drum kümmert, dass die da halt überall rauchen, dann kann man halt überall rauchen. Obwohl das Gesetz eigentlich schon dagegen ist.
Ihr, also deine Eltern und du, habt damals dann keine strafrechtlichen Maßnahmen eingeleitet?
IP: Zum Beispiel bei Kindesmisshandlung könnte man ja auch fragen „Warum haben deine Eltern sich nicht selbst angezeigt?“ Ja, weil die Eltern kein Interesses daran hatten, sich selbst anzuzeigen. Bei mir und meinen, war es natürlich ähnlich. Die wollten mich halt zum Jungen erziehen und als das nicht so richtig funktioniert hat, dann hat man mehr Gewalt angewendet. Das hat auch nicht wirklich funktioniert. Möglicherweise hat es erstmal gereicht, dass ich nicht mehr problematisch war, in dem Sinne, dass man sich um mich nicht mehr sorgen musste, weil ich mich selbst versorgt habe. Bei meinen Eltern, vor allem bei meiner Mutter, ging es darum, dass ich kein Problem war, dass ich gute Noten hab, dass die Nachbarn gut über mich reden und dass ich nicht aufwendig werde für meine Eltern. Und woher soll ich wissen, dass es Möglichkeiten wie Anzeigen gibt. Ich bin auch auf dem Land groß geworden, mitten im Nirgendwo. Alleine nur von schwul oder dann trans* Sein hatte ich im Endeffekt keine Ahnung. Wir hatten das irgendwann mal vielleicht mal Unterricht, dass es so etwas wie schwul gab, am Rande, aber das war es. Auf dem Lande ist diese Multikulti, dieses Aufgeklärte noch nicht angekommen, was man häufig in der Stadt hat, dass man auch Leute kennt. Von daher hatte ich weder Begriffe, noch Forschungen davon, was ich war und von Einklagen wusste ich sowieso nicht. Es gibt so Sachen, da ist es schwierig Einklagen auszuführen. Mobbing auf der Arbeit ist ja ein ähnliches Thema. Wie will man so was einklagen? Es geht immer ein Stückchen mehr und irgendwann hat der Gemobbte sich an die Situation gewöhnt. Irgendwann war die Situation normal für mich. Ich bin so aufgewachsen, meine Situation war so. Wächst du im Kriegsgebiet auf ist es normal, dass da Leute schießen. Es ist normal, dass deine Kinder, deine Geschwister sterben. Es gehört einfach zu deinem Leben. Du hättest es vielleicht gerne besser, aber du siehst nicht, dass da was ist, wogegen man unbedingt was machen müsste, weil das ist normal. Bei mir war das so. Ich glaube inzwischen ist das auch nicht mehr anklagbar, selbst wenn ich wollte. Der nächste Punkt wäre: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn ich niemand anklage, dann passiert auch nichts. Ich muss es auch wollen jemanden anzuklagen. Da ist auch die Frage, was rechtliches Vorgehen dagegen bringt. Ich will eher, dass die Familie wieder zusammenwächst und eher Vergeben und Vergessen, als jetzt noch immer wieder in alten Wunden herumzubohren.
Wie war es denn, als du dich vor deiner Familie geoutet hast?
IP: Ich bin Asperger und ich gehe da strukturell, strukturiert vor. Ich hatte mich erstmal informiert. Ich hatte gelesen und überlegt, wie ich das mache und hatte mir dann überlegt, ich fahr zu meinen Eltern und informiere sie darüber. Diese Transitionszeit war für mich relativ kurz. Es gab für mich nicht die Zeit vorher, wo ich zum Beispiel in Schwulenbars unterwegs war. Meine Eltern, die wussten vorher, dass ich vielleicht Probleme habe oder die haben gesagt: „Ja, such dir 'ne Freundin.“ Sie mir irgendwas vorgeschlagen, womit ich glücklich werden sollte, was im Endeffekt aber teilweise nicht funktioniert hat.
Als ich rausgefunden hab, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass ich trans* bin, da habe ich mich da informiert, da war ich auch in der Szene, beim Psychologen. Nachdem ich es meine Eltern gesagt habe, habe ich auch ein Buch da gelassen. Ich hab früher in Büchern gelebt, muss man sagen. Ich hatte ja nichts anderes und deswegen sind Bücher wichtig für mich. Mit Büchern nehme ich Wissen auf und mit Büchern versuche ich natürlich auch Wissen weiter zu geben. Ich denke, im ersten Moment wussten sie nichts damit anzufangen und waren baff. Ich habe das meinen Eltern erzählt, ich habe es meinen Brüdern erzählt, ich habe es meiner Oma erzählt. Im ersten Moment, da kam nichts wirklich zurück. Ich hatte keine glückliche Kindheit. Ich hab keine enge oder herzliche Beziehung zu meinen Eltern. Die haben mich ernährt. Ich hab für die auch teilweise was gemacht, aber das war nicht so, dass ich eine glückliche Beziehung hatte und da was retten wollte. Es war eher so ein Pflichtgefühl, dass ich es denen erzähle und ein Pflichtgefühl, dass man die Familie aufrecht erhält. In der Zeit kam ich das erste Mal zu mir. Das war die Zeit, wo ich selbst sehr viele Probleme hatte und langsam angefangen habe ein Leben zu finden und zu leben in der Transition, weg von dem Dorf, wo ich aufgewachsen war.
Ich weiß gar nicht wer der Erste war, der nachdem ich es ihm gesagt habe, wieder auf mich zukam. Meine Oma war relativ schnell und hat das recht gut aufgenommen, auch mit den Pronomen. Aktuell kommt sie mit den Personalpronomen etwas durcheinander, weil sie ein bisschen auch vergesslich wird. Sie hat doch ein hohes Alter.
Aber die ersten waren meine Eltern, wobei ich das trennen müsste, um der ganzen Sache gerecht zu werden. Eigentlich ist es meine Mutter gewesen. Meine Mutter ist die starke Persönlichkeit, meine Mutter ist die, die was voran bringt. Sie nutzt mein Vater mehr oder weniger. Mein Vater fand das nicht schön, aber hätte jetzt keine Aktion gestartet deswegen oder hätte sich mit mir ausgesprochen oder irgendwas. Ja, meine Mutter halt, die hat damit ein Problem. Die kamen beide her. Das ist relativ ungewöhnlich, weil sie in den Jahren vorher so gut wie nie hier waren. Meine Mutter hat sich auch ein bisschen besser angezogen und haben mit mir halt darüber gesprochen, über die ganze Sache. Und ob ich mir das nicht nochmal überlegen will. Und ob schon mal überlegt habe mich einweisen zu lassen, der Tante hat das ja auch schon geholfen. Vielleicht kann man das ja weg therapieren. Meine Mutter hatte ein Schreiben rausgesucht, dass die Schwester meines Opas wegen einer psychischen Krankheit in der Anstalt war und gemeint, dass das vielleicht in der Familie liegt, dass man psychisch krank ist. Wobei schon der Teil Blödsinn war. Also ich kenne die Seite meiner Familie und ich denke, die Schwester wurde nicht eingewiesen, weil sie psychisch krank ist, sondern weil sie kaputt gespielt wurde. Das war eine sehr herrische Familie und da mussten die Leute tun, was gesagt wird. Die wurde halt mehr oder weniger zwangsverheiratet mit jemanden, wo man dachte an Geld zu kommen. Das war wahrscheinlich nicht die netteste Person. Der hat sie wahrscheinlich regelmäßig durch geprügelt oder irgendwas und deswegen war sie irgendwann fertig. Meine Mutter wusste, dass sie im Endeffekt keine Macht über mich hat. Ich habe mein eigenes Leben, ich habe mein eigenes Geld. Meine Mutter ist ein Machtmensch und sie denkt in Machtgefügen und deswegen war sie noch eher zurückhaltend. Hätte ich bei denen zu Hause gewohnt, wäre es ganz anders geworden. Aber dadurch dass ich auch eine eigene Wohnung hatte und ganz weit weg war, war ich auch nicht greifbar. Da habe ich denen auch klar gemacht, dass das bei mir so weitergeht und dass ich da die richtigen Leute habe. Ich habe sie auch eingeladen nach Berlin zu kommen zum Sonntagsclub. Da war sie auch mal da, um die Leute kennen zu lernen. Ich denke, das hat sie auch so ein bisschen desensibilisiert, also es einfacher gemacht. Mittlerweile geht es ein bisschen besser, auch wenn die Probleme immer noch da sind, vor allem mit den Personalpronomen. Das ist auch ein bisschen gewaltsam, dass meine Mutter immer noch häufig das alte Personalpronomen nutzt und das Neue eigentlich nicht nutzen will. Sie tut es, wenn ich da bin mal, wenn ich direkt darauf hinweise, aber ich bin mir ziemlich sicher, wenn ich nicht da bin, dann tut sie es nicht, weil sie keinen Anlass dazu sieht. Für mich ist das schwierig und ein bisschen doof, denn, wenn sie konsequent das alte Personalpronomen verwendet, dass es dann wieder bei anderen Leuten rein kommt, wie bei meinem Vater, meiner Oma und das tut mir jedes Mal weh. Dann wäre da noch mein Bruder, von dem ich eigentlich keine allzu schlimme Reaktion erwartet hätte, weil der ziemlich links angehaucht ist. Der hat mal raus gehauen: „Weißt du eigentlich, was du deinen Eltern antust?“ Er ist, nachdem er ein Kind bekommen hatte und in unserem Kindheitsdorf eine gute Arbeit gefunden hat, zusamme mit seiner Familie zurück dahin gezogen.
In ein Haus, das bei meinen Eltern praktisch auf dem Hinterhof ist. Da war ein Behelfshäuschen und das wurde abgerissen und dann haben sie ein neues Häuschen gebaut. Dadurch hatte er wieder engen Kontakt mit meinen Eltern gehabt und hat auch mehr mitbekommen, was die so gemacht haben. Zum Beispiel, dass sie eine Menge Alkohol konsumieren und das hat er dann auf mich geschoben. Ich denke, sie haben auch vorher Alkohol konsumiert, die Situation, als ich transitioniert bin, hat das in gewissen Zeiten noch verstärkt, aber das ist trotzdem nicht meine Schuld. Ich setze denen nicht die Flasche an den Hals, wenn die Sorgen und Kummer haben, dann sollen sie zum Psychologen gehen oder so, anstatt die Schuld auf mich zu schieben. Diese Unterstellung war schon schwierig für mich. Die einfachste war tatsächlich meine Schwester. Der habe ich das erzählt und die hat das so hingenommen, die hat in der Zeit auch in einer Großstadt gewohnt und ja mit der habe ich jetzt ein inniges Verhältnis. Bei meinen Bruder hat sich das inzwischen ein bisschen gedreht. Der hat wohl auch mal mit Freunden darüber gesprochen, was das denn ist und Freunde, die wohl aus der Schwulenszene sind, haben ihn etwas aufgeklärt und ich hab mit ihm auch öfter darüber gesprochen. Für den ist es jetzt an sich okay. Der ist darüber hinweg. Wie gesagt, meine Mutter, denke ich mal, hat immer noch Probleme damit, obwohl sie mittlerweile auch Scherze drüber macht. Mittlerweile haut sie schon so was raus wie „Ich hab drei Kinder. Hälfte Jungs, Hälfte Mädchen.“ Also man kann es auch lustig sehen. Aber noch ist nicht alles im Reinen. Es ist immer noch ein schwerer Kampf, aber im Großen und Ganzen, denke ich, hat es mich relativ gut erwischt und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich unabhängig bin. Viel früher wäre es schwierig gewesen, das zu machen.
Und dein Vater spielt überhaupt keine Rolle?
IP: Mein Vater spielt eine Rolle. Aber mein Vater ist in einer Familie aufgewachsen, da haben die Eltern, die Kinder links liegen gelassen. Das war sehr locker und für ihn ist es sicherlich nicht einfach, aber es ist keine schlimme Sache für ihn. Er geht mit meiner Mutter mit, wenn sie was sagt, weil sie den ganzen Tag auf ihre Seite bringt und dann macht er mit. Aber kam von ihm keine richtige Reaktion, mich davon abzuhalten. Für ihn ist es halt seltsam, aber wenn das halt so ist, dann ist es halt so. Lass doch Leute leben, wie sie leben. So würde ich ihn eher beschreiben wollen. Wie gesagt, im Großen und Ganzen ist es ganz gut. Es ist nicht alles im Reinen. Mit meiner Mutter habe ich meine Probleme, aber eigentlich haben die meisten in meiner Familie mit meiner Mutter ein Problem. Meine Schwester ist mit meiner Mutter auch nicht ganz grün.
Wann oder wie hast du dann entschieden diesen Weg zu gehen?
IP: Bei mir war der Weg Schule und dann Studium. Informatik. Informatik ist meine große Leidenschaft. Es ist auch so, bei trans* Frauen sind sehr viele Informatikerinnen dabei. Ich hab mittlerweile die Vermutung, dass die Informatikerbranche den technologischen Ansatz hat, den Frauenanteil zu erhöhen. Es ist schon sehr auffällig, dass im trans* Bereich sehr viele Informatiker sind und im Informatikerbereich relativ viele trans* Frauen. Ich denke, es geht auch um dieses sich zurückziehen und in seiner eigenen Welt leben. Ich war sehr kopflastig, deswegen bin ich in die Informatik gegangen. Dann hab ich mir eine schöne Arbeit in Berlin gesucht. Die erste, die mich genommen haben, weil ich nicht die Intention von wegen Karriere hatte, ich war ja niemand. Ich wollte bloß den Standardweg einhalten. Bei der Arbeit war ich sehr viel auswärts. Ich wurde während der ersten Zeit jede Woche nach Düsseldorf geflogen. Ich hab im Ruhrgebiet gearbeitet und nachher Paderborn. Und ich habe gemerkt, dass es mir nicht gut ging. Wie soll ich das sagen? Es war schmerzhaft und ich habe auch an meiner Psoriasis (Schuppenflechte) gemerkt, dass es immer schlimmer wurde. Ich hatte richtig handgroße Flächen auf den Beinen, die halt nur noch Schorf und Wunden waren. Aber ich habe es auch innerlich gemerkt, ich war depressiv, ich hatte Schmerzen. Ich hatte also wirklich Schmerzen, die ich versucht habe durch physikalische Schmerzen abzumildern. Physikalische Schmerzen sind besser. Es sind positive Schmerzen, aber die innerlichen Schmerzen, da ist es sehr schwierig mit umzugehen, weil man auch nicht weiß, wie das heilt oder heilen kann. Das wurde zudem mit der Zeit immer schlimmer. Irgendwann habe ich meinen Arbeitgeber gesagt, ich kündige. Ich kann nicht mehr. Ich habe dem gesagt, dass ich mich selbstständig machen will. Ich bin dann doch ein bisschen länger geblieben, weil der mich noch woanders einsetzen wollte. Dann wollte er mich nochmal verlängern und dann habe ihn erst mal über Telefon zugesagt. Dann kam eine sehr schlimmer Nacht für mich. Ich hab nicht geschlafen, ich stand irgendwie um drei Uhr wieder vorm Büro. Das Büro war zu. Ich bin halt vor dem Büro hin und her gelaufen, bis ich rein kam und ich den Arbeitgeber anrufen konnte. Ich hatte zu der Zeit kein Handy. Schlussendlich habe ich gekündigt, das war Ende 2008. Ich hatte schon davor und dann auch mit Ärzten darüber geredet, weswegen die mich krank geschrieben haben, dass ich vom Arbeitsamt trotzdem Arbeitslosengeld bekomme. Ich hatte zu der Zeit kein Leben, ich hatte kein soziales Umfeld. Dadurch, dass ich kein Leben hatte und keinen Willen hatte und nichts wollte, habe ich auch nichts gekauft. Da ich als Informatikerin gut verdient habe, hatte ich eine ganze Menge Geld angespart. Ich habe ein paar Monate vom Jobcenter Geld gehabt und dann habe ich eine lange Zeit von meinen eigenen Geld gelebt. In der Zeit habe ich danach gesucht, woher meine Probleme kommen. Ich habe angefangen, mich zu recherchieren. Ich hab angefangen zu recherchieren im Internet, gesucht was es alles gibt. Am Anfang hatte ich „will Frau sein“ sozusagen weiter unten auf der Liste und „Depressionen“ weiter oben. Dann kam das „will Frau sein“ immer weiter nach oben. So kam ich Anfang 2009 auf diese trans* Schiene. Ich habe mich im Internet über trans* informiert und da fing dieses Fieber an, dass ich gemerkt habe, das ist für mich das richtige. Darauf habe ich Psychologen in Berlin gesucht, die vielleicht das richtige wären. Es war eine aufreibende Zeit für mich, weil ich wollte, dass es weitergeht. Ich wollte mich informieren und raus und gucken und habe mich auch immer in den Geschichten wieder gefunden, habe mir viele Bücher gekauft. Ich habe Bücher teilweise innerhalb von Wochen durchgelesen, auch im Internet. Mitte 2009 kam der erste Psychologentermin, worauf ich ewig lange gewartet habe. Der konnte mich aber nicht weiter behandeln, aber er wollte gucken, dass ich schnell einen neuen Termin kriege. Da bin ich richtig zusammengebrochen. Es hat länger gedauert, als der Psychologe eigentlich versprochen hatte, aber ich wurde zu einen Psychologen vermittelt, der nicht wirklich Ahnung vom Thema hatte. Also das war der psychologische Dienst, als die erste Anlaufstelle. Ich hatte vorher auch im Studium mit Psychologen zu tun und hab mich so ein bisschen informiert, woher meine Probleme, meine Depressionen kommen, aber das hat mir nicht wirklich weiter geholfen. Normale Psychologen würden nie auf die Idee kommen in die Richtung zu recherchieren oder dir irgendwas zu unterstellen, weil das ja abartig pervers sei. Man muss schon zum Psychologen hinkommen und sagen man ist trans*, dass der überhaupt in die Richtung überlegt und wenn man den falschen Psychologen hat, ist es ein Kampf. Wenn man einen ganz falschen Psychologen hat, geht das gar nicht. Der Psychologe, den ich hatte fuhr eine komische Schiene. Erst meinte er, er habe mit trans* keine Erfahrungen, dann, dass er mich nicht mehr lange behandeln könnte und dann, dass er doch schon was mit trans* Personen zu tun hatte, die hätten sich dann aber wieder umentschieden. Und dann hat er mich zu einen Jünger von Dr. Bayer in Berlin weiter geleitet. Das ist ein berühmter Name. Da gibt es von vielen trans* Leuten halt böse Geschichten. Da darf man niemanden hinschicken. Da habe ich gesagt, ich höre auf. Zu der Zeit bin ich nämlich schon über eine andere Schiene rein gekommen. Ich habe in Berlin Clubs gefunden. Selbst heutzutage ist es nicht so einfach transspezifische Anlaufstellen über das Internet zu finden. Ich war bei der ersten und dadurch findet man Kontakte und dadurch habe ich auch Namen von Psychologen bekommen. Die habe ich abtelefoniert und auch einen Termin bekommen. Psychologen und Terminen ist es sehr schwierig, die sind überlaufen, gerade auch im trans* Bereich und wenn man gerade in der Phase ist, wo es wirklich vorwärts gehen muss, wo man diesen inneren Drang hat, dann kann man nicht Monate oder Jahre warten. Man hat meistens vorher Jahre gewartet, aber da geht es nicht mehr. Deswegen habe ich die erstbeste genommen, die ich hatte. Die hatte mich zumindest etwas ernster genommen und September 2009 habe ich endlich Hormone bekommen. Das war ein riesiger Durchbruch für mich. Trotzdem muss ich auch sagen, psychologisch hat sie mir nicht wirklich weiter geholfen. Ich habe dort eher meine Zeit abgesessen. Ich habe sie am Ende noch ein bisschen aufgeklärt.
Was für mich hilfreich war, waren die Selbsthilfegruppen zum Thema Trans*, in denen ich war. Ich habe für mich vorher schon privat ab und zu Crossdressing betrieben, was mit Scham belastet ist. Und in der Zeit habe ich dann angefangen, erst zu Hause für mich umzustellen und danach bin ich auch zu diesen trans* Gruppen so hingefahren. Allerdings nicht ultra feminin, sondern eher androgyn. Das ist halt eher mein Fall. Da ich auch kein Auto habe, bin ich mit den Öffentlichen gefahren und hatte nicht wirklich negative Erfahrungen damit. Ich weiß von anderen, dass sie negative Erfahrungen gemacht haben. Es gab vielleicht mal ein oder zwei Zwischenfälle. Die negativen Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren eher Psychologen, Ärzte. Ich war zum Beispiel bei Ärzten, wo ich schon vorher nie gern hingegangen bin und habe vorsichtig angesprochen, wo ich noch nicht wusste, dass ich trans* bin, aber wo ich schon die Richtung gegangen bin, ob es eine Möglichkeit gibt, den Testosteronspiegel zu senken. Dass ich da zum Arzt hingehe, war so schon sehr schwierig für mich, weil das Thema belastet ist und dann wird man noch schroff behandelt oder abgewiesen, aber zum Arzt muss man oft, ich war auch bei so einem ganzen Kreis. Die meisten trans* Personen wissen, dass das beim Arzt manchmal so ist. Auf der Straße muss ich mich nicht ausziehen, aber beim Arzt schon. Wenn dann noch rücksichtslose* Fragen kommen oder Kommentare, kann das richtig richtig tief gehen. Da hatte ich vorher auch Angst vor. Ich wünsche mir gerade von Ärzten mehr Feingefühl und ich würde mir auch wünschen, dass das in die Ausbildung von Ärzten dazu kommt.
Eigentlich war ich zu der Zeit nur im Kreis von trans* Leuten unterwegs und meine Familie habe ich alle paar Monate mal gesehen. Ich habe mich bei den Gruppen etwas engagiert. Ich habe auch hier in Potsdam eine Gruppe, so dass ich unter Leuten war, auch unter solchen, die ich mochte. Ich habe Freunde gefunden und wir haben gemeinsam was unternommen, auch immer mehr. Vor 2008 hatte ich, wo ich noch gearbeitet habe, hatte ich eigentlich niemanden. In der Uni kannte ich noch ein paar Leute, mit denen ich mal getroffen habe, aber Freunde kann man auch nicht sagen, eher Bekannte, mit denen man mal zusammen war. Nur eine Arbeit hatte ich nicht. Ich habe in der Zeit versucht mich selbstständig zu machen und ein bisschen später kam in die Schiene rein. Ich war bei der Uni Potsdam, bei so einem Weiterbildungskurs. Das war relativ früh in meiner Transition. Das hatte den Vorteil, ich weiß, dass ich mit den Leuten nicht bis alle Ewigkeit zu tun habe, selbst wenn ich da Probleme habe. Es gab auch Schwierigkeiten, aber ich habe was gelernt und ich habe gesehen, dass ich auch weiblich rüber komme und das es kein Problem ist. Dadurch habe ich auch mehr Selbstbewusstsein bekommen.
Für meine jetzige Firma habe ich mich erst relativ spät beworben, Ende 2013. Da habe ich als Informatikerin, als ich, angefangen.
Und die wissen nichts von der Vergangenheit?
IP: Das ist meine Sache, was ich denen sage. Einer meiner beiden Chefs, der jüngere, weiß es und hat jetzt Problem damit. Ich fühle so ein bisschen rein, wie komme ich mit den Menschen klar, bevor ich etwas sage. Ein Arbeitskollege weiß es auch und ansonsten die Leute nicht, weil ich denke, das würde die Situation nicht einfacher machen. Es ist so ein bisschen gespalten. Auf der einen Seite kann ich dann freier reden, auf der anderen Seite weiß ich nicht, wie die mich danach sehen, wenn ich denen das erzähle. Also selbst, wenn die mich vernünftig behandeln, behandeln die mich vielleicht doch wieder als Mann. Im Endeffekt geht es die nichts an und so lange ich nicht über meine persönliche Vergangenheit erzähle, brauche ich das nicht.
Ich habe auch meinen Lebenslauf etwas beschönigt. Zum Beispiel wo ich zum Bund musste, weil der Bund eigentlich überhaupt nichts für mich war, also das widert mich an und ich hab auch nachdem ich beim Bund war Kriegsdienst verweigert. Aber es war nunmal, dass das die anderen auch machen und wenn ich nicht zum Bund gehe, habe ich Nachteile. Deswegen bin ich zum Bund. Das steht noch in meinen Lebenslauf, aber wenn ich jetzt mit Leuten darüber rede, sage ich, ich war Zugschreiberin. Dann hab ich Geld damit verdient. Das irgendwie stimmt alles, ist keine Lüge, aber ich binde denen halt nicht auf Nase, dass ich eingezogen wurde. Ich binde denen auch nicht auf die Nase, warum ich eingezogen wurde, also dass ich musste, obwohl ich eine Frau bin. Die Arbeitszeugnisse und so weiter habe ich umgeschrieben, dass der richtige Name darauf steht. Ich glaube, wenn ich beim früheren Arbeitgeber anrufen würde, wird es schwierig. Aber ich denke mal, da wo ich früher war, haben die so einen hohen Durchfluss von Leuten, die meisten werden sich an mich nicht mehr erinnern. Aber ich habe immer ein wenig das Gefühl, wenn ich durch die Welt gehe: „Die wissen das doch. Die müssen das doch irgendwie sehen, oder?“. Aber anscheinend ist das nicht so.
Meinst du, dass könnte daran liegen, dass du so ein gutes Passing hast?
IP: Ja, das ist auch ein bisschen seltsam, weil ich doch eigentlich sehr groß bin und ich hab große Hände und ich hab einen Adamsapfel und so ein bisschen von den Zügen auch noch und wenn ich niese, dann versetze ich alle in meiner Firma, meiner Abteilung oder auch im Freundeskreis, immer in Angst und Schrecken. Ich denke mal, ich passe nicht in das Stereotypbild trans* rein. Das was die Leute als trans* sehen ist ein falsches Bild. Es hat irgendwas Gutes für die trans* Community, weil die meisten nicht als trans* Leute wahrgenommen werden wollen und das nicht gesehen wird, das hat aber genauso ein Schlechtes, wenn man jemanden das erzählt und häufig etwas kommt wie: „Ach, so eine???“ . Ich meine, trans* außerhalb eines belasteten Stereotyps geht in der Welt unter. Die meisten Leute würden sich wahrscheinlich umgucken, wie viele Bekannte sie haben, die begegnen im Endeffekt trans* sind. In den letzten Jahren kam ein bisschen mehr trans*, weil es auch in den Medien etwas realistischer dargestellt wird und nicht immer nur als die Freakperson. Noch ist Standard, wenn trans* sich Frauen schminken, mitten in der Transition sind, besonders auch trans* Frauen sollen von den OPs erzählen, möglichst auch blutige Details. Dann will man sie natürlich aufgebrezelt sehen, mindestens mit Rock und wenn ich da mit Hose oder Jeans daher komme, passe ich da nicht rein.
Denkst du, dass ist immer noch das typische Frauenbild, dem auch cis* Frauen entsprechen sollen?
IP: Wenn du Leute fragst, was typisch Frau ist, kommt das Bild raus, das es ein zierliches Persönchen sein muss, wahrscheinlich mit Kleid, wahrscheinlich geschminkt, wahrscheinlich hübsch gemacht. Ees ist schon das typische Bild von Frau und Mann da, wo man halt intendiert. Trans* ist vor allen Dingen durch die Medien, aber ich denke vor allen Dingen auch durch viele amerikanische Mediziner lange Zeit in die Perversenecke gestellt worden. Bei Perversionen kann man sich auch nicht vorstellen, dass die Person dann Alltagskleidung an hat. Ich denke mal, in den nächsten Jahren wird sich viel ändern, dass auch trans* Personen als Normalpersonen in den Medien dargestellt werden. Ich hoffe, das ist auch nachhaltig, weil viele dieser Tendenzen nicht nachhaltig waren. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wo aus Hollywood auch viele gute Filme kamen, wo auch Leute mit sehr dunkler Hautfarbe dargestellt wurden, die Bill Cosby Show oder ähnliches. Das wurde n in den nächsten Jahren wieder weiß gewaschen und wo jetzt hauptsächlich Sitcoms Weiße und vielleicht mal den Quoten-Schwarzen dabei haben, der meist stereotypisch dargestellt wird. Das ist halt Hollywood: das Thema kommt auf, man nimmt das mal auf, man stellt es mehr dar und dann geht der Trend wieder. Die trans* Communtiy hat da einen großen Vorteil. Es wurden welche eingeschleust. Also Hollywood und auch die Meinungsmacher sind weiß und männlich und einige dieser weiß-männlich wurden dann irgendwann weiß-weiblich, wie die Wachowski-Geschwister, Schwestern mittlerweile, die Matrix gemacht haben. Die bringen viele gute Filme, die kann man nicht mehr klein machen und die werden auch in Zukunft viele gute Filme bringen, auch wenn die Studios vielleicht versuchen, die beiden ein bisschen runter zu halten. Aber die haben jetzt so ein Momentum, das wird auszuhalten sein und von daher kann man ganz stolz sein, dass die weiter Filme machen können und auch trans* in Filmen darstellen und auch in Filmen, die die Leute sehen wolle, also die für ein breites Publikum gemacht sind. Das ist so der Vorteil: Wenn trans* Personen versteckt sind, kein eigenes Leben führe und dann in ihrem Beruf ganz drin sind und setzen sich dafür ein, dann kommen sie auch in diesen Beruf vorwärts und wenn sie dann herausfinden, dass sie trans* sind, dann sind sie manchmal schon auf hohen Positionen und da kann man die auch nicht mehr aus den hohen Positionen einfach so rauskicken, auch im Informatikbereich. Das sind sicherlich nicht alle trans* Personen, es gibt auch viele, die sind halt gescheitert, sind nicht voran gekommen im Leben, weil sie nicht damit klar kamen und leben dann von Hartz IV, weil die Ausbildung nicht geklappt hat, aber es gibt auch die anderen Beispiele, die in Positionen sind, bevor sie transitionieren und im Medienlicht sind und nicht mehr raus zu rücken sind.