Positionen der Brandenburger Community (LSBTTIQ*) zum Landesaktionsplan

"Ich war schon immer eine Frau. Eine Frau ist man, die kann man nicht werden. Deswegen ist es auch Blödsinn, mich zu fragen, was ich vorher war, oder ob ich schon operiert bin. Ich bin einfach ich."  - Michelle

Gemäß des bei der Geburt zugeordneten Geschlechtes und behandelt zu werden, ohne sich sich dort zugehörig zu fühlen, ist eine Erfahrung, die von cis*geschlechtlichen Menschen nicht nachvollzogen werden kann. Für trans* Personen kann es ein langer Erkenntnisprozess sein, die damit verbundenen Emotionen richtig einzuordnen und zu deuten.

Die Auseinandersetzung mit der Thematik der Trans*geschlechtlichkeit geht idealerweise einher mit der  Infragestellung der eigenen und gesellschaftlichen Vorstellung davon, was Geschlecht ist und was es ausmacht.  Die Geschlechtsidentität kann nicht einfach auf das Vorhandensein spezifischer Hormone, äußerer Geschlechtsmerkmale  und bestimmter Chromosomen reduziert werden und sollte auch nicht darauf bezogen sein, in welchem Ausmaß jemand eine binäre Geschlechterrolle ausfüllt.

An die traditionellen Rollenbilder der jeweiligen Geschlechter sind aber weiterhin starke Erwartungen an Äußeres, Auftreten und Verhalten gebunden. Somit stellt das Coming-out für viele trans* Personen einen entscheidenden Umbruch dar. Es bedeutet, endlich seine Geschlechtsidentität leben zu können und sich selbst frei von der alten Geschlechterrolle neu zu entdecken. Zumindest in der Theorie. Viele trans* Personen sehen sich jedoch in Räumen, in denen der Fokus auf ihr eigenes Wohl nicht gegeben ist und ihre Sicherheit gefährdet wird, wenn sie sich outen würden bzw. diesen Schritt bereits vollzogen haben. Diskriminierung von trans* Menschen beginnt bei der Ansprache: falscher Vorname (deadname) und falsches Pronomen und bei Briefen mit der falschen Anrede.  Dazu zählt der auferlegte Zwang, sich einem der binären Geschlechter zuordnen zu müssen. Häufig werden trans* Personen ein „abnormes Verhalten“ oder „Perversion“ unterstellt, wenn diese ihre ersten Schritte in ihre wahre Geschlechtsidentität unternehmen und sie deswegen „andere“ Toiletten oder „andere“ Umkleideräume nutzen möchten.

Geoutete trans* Personen sehen sich tagtäglich mit Unwissen, Vorurteilen und in vielen Fällen auch Drohungen, Ausgrenzungen, sozialen Ausschluss, Spott, Beleidigungen bis zu psychischer und physischer Gewalt konfrontiert, welches ein stressbedingtes seelisches Ungleichgewicht auslösen kann und als extremste Form sogar tödlich endet.

In einer europäischen Studie wurde deutlich, dass ein Viertel bis ein Drittel der trans* Personen schon einmal einen Suizidversuch begangen haben. Desweiteren dachten 50% der Betroffenen über einen Suizid nach und 25% unternahmen effektiv einen Suizidversuch. Hinzu kommt eine hohe Tendenz zum Substanzmissbrauch (Alkohol und Drogen), die bei etwa 30% der Betroffenen liegt. Es wird davon ausgegangen, dass diese schwerwiegenden Maßnahmen ein Ausdruck tiefster Verzweiflung und Depressionen sind. Angststörungen, erhöhter Substanzmissbrauch, Suizidalität und Depressionen sind Reaktionen auf extreme soziale Belastungen, ausgehend von den momentan immer noch herrschenden gesellschaftlichen Strukturen, denen trans* Personen ausgesetzt sind. Das persönliche Wohlbefinden und das Senken bzw. das Überwinden des Leidensdrucks bedarf unbedingt einer starken, liebenden Familie ebenso, wie eines informierten, akzeptierenden und unterstützenden Umfeldes.

Der Weg vom Coming-Out bis zu Hormontherapie, Änderung des Geschlechtseintrag und eventueller angleichender Operation ist häufig sehr lang und mühsam. Die (gesetzliche) Anerkennung ihres geschlechtlichen Seins und ihres dazugehörigen Namens bedarf aktuell (Stand November 2019) eines Gerichtsverfahrens, in dem aufwendige Voraussetzungen erfüllt werden müssen, wie etwa der Nachweis, schon drei Jahre lang unter der beantragten Geschlechtsrolle gelebt zu haben. Langwierige Verfahren wie obligatorische Psychotherapie, Alltagstests, Kostenübernahmeverfahren und Begutachtungen gehören ebenso zu diesem strapazierenden Prozess.

Hinzu kommt, dass ein Prozess einer Transition nicht nur eine sondern mehrere, teilweise schwerwiegende medizinische Eingriffe und eine lebenslange Einnahme von Hormonen beinhalten. Dass die körperliche Angleichung an die Geschlechtsidentität so kompliziert und für manche aus gesundheitlichen Gründen gar nicht umsetzbar ist, macht es umso wichtiger, trans* Personen ein Umfeld zu bieten, indem sie ihr geschlechtliches Sein frei ausleben können.


Wir möchten uns bei folgenden Personen bedanken, die diesen Text entwickelt, weiterentwickelt und korrigiert haben:

Jannes Christopher Albu (Tranistor Potsdam)
Dr. Erik Schneider (Intersex & Transgender Luxembourg a.s.b.l.)
Trans-Kinder-Netz e. V. 
Maria Sievers (qu. Factory - Katte e. V.)
Jirka Witschak (LKS qu. Brandenburg)


www.queeres-brandenburg.info

 

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